Willkommen in Westfalen!

"Schon lange bevor Angela Merkel diesen Begriff prägte, haben wir Willkommenskultur betrieben." Dieser Satz von Annette Ritter von der Aids-Hilfe Münster beschreibt ein Leitprinzip der Vernetzung XXelle Westfalen. 

Eines ihrer Kernprojekte trägt den mythischen Namen Ariadne. Und zwar aus folgendem Grund: Die Ariadne aus der griechischen Sagenwelt gab ihrem Geliebten Theseus ein Knäuel selbstgewebten Fadens, das er nach dem Eintritt ins Labyrinth des menschenverschlingenden Minotauros hinter sich abrollte. Mithilfe des "Ariadnefadens" fand Theseus, nachdem er im Inneren des Irrgartens das Ungeheuer erlegt hatte, den Rückweg in Freiheit und Licht, zurück zur Geliebten. 

Seit Projektbeginn im Jahr 1999 versucht die XXelle Westfalen – damals noch nicht unter diesem Namen - mit Ariadne, Frauen mit HIV/Aids dabei zu unterstützen, ihren oftmals verlorengegangenen Weg wiederzufinden oder neu zu suchen. Sich selbst zu helfen, Kontakte zu anderen Frauen mit HIV zu knüpfen und in Verbindung zu bleiben; anzukommen im Leben nach der Diagnose. Jede Frau mit HIV, die in Westfalen wohnt, ist bei Ariadne willkommen. 

Zweimal jährlich, im Frühjahr und im Herbst, findet in einer der angeschlossenen Aidshilfen in Ahlen, Bielefeld, Münster, Paderborn und Westmünsterland ein ganztägiges "Ariadne-Treffen für positive Frauen in Westfalen" statt. Die Frauen werden von den Betreuerinnen ihrer regionalen Aidshilfe eingeladen, einmal aus ihrem Alltag herauszutreten, einen gemeinsamen Tag zu verbringen und dabei etwas nur für sich zu tun. Es wird gemalt und gewerkt, getanzt, getrommelt und gesungen, viel gelacht und vielleicht auch mal geweint. Frau kann spazieren gehen, sich schön machen lassen oder einfach nur am Kaminfeuer sitzen und sich mit den anderen unterhalten. Die Kinder bleiben in der Regel zuhause, in der Obhut des häuslichen Babysitters, der von den Spenden, durch die sich das Projekt finanziert, mitbezahlt wird.

Die Ariadne-Treffen entstanden aus der Erfahrung heraus, dass es schwierig ist, in den lokalen Aidshilfen in Westfalen Frauengruppen anzusiedeln. Eine weitere Schwierigkeit: Viele positive Frauen, die Aidshilfen besuchen, haben eine Migrationsvorgeschichte. Meist ist ihnen der Selbsthilfegedanke fremd. Nahezu undenkbar, sich in einer "Ortsgruppe" vor anderen Frauen als HIV-positiv zu outen! Am Ende sogar noch vor Frauen aus der eigenen Community - selbst wenn die ebenfalls positiv sind und eigentlich, zumindest nach unserem deutschen Verständnis, im selben Boot sitzen. Da ist es weitaus unverfänglicher, ein Angebot mit größerer Reichweite wahrzunehmen, wo sich Frauen zwar mit derselben Grunderkrankung, doch außerhalb der eigenen Community begegnen. Und selbst wenn bei einem Ariadne-Treffen einmal Ghana auf Ghana stößt oder Kamerun auf Kamerun, so geschieht dies zumindest an einem neutralen und geschützten Ort. Und an diesem Ort kann Selbsthilfe wachsen. 

Die Ariadne-Treffen werden von den Mitarbeiterinnen der fünf genannten westfälischen Aidshilfen gestaltet. Dort findet derzeit ein Generationenwechsel statt. Und während die "alten Häsinnen" oft auf Bewährtes zurückgreifen, probieren die jüngeren Frauen gerne Neues aus. Inspiriert vom Projekt "Komm in Bewegung" ihrer Ruhrgebietskollegin Indra Mechnich, führte Daniela Colazzo-Quakernack von der Aidshilfe Bielefeld ihre Ariadne-Teilnehmerinnen kürzlich in ein Bielefelder Selbstverteidigungs- und Bewegungszentrum. Im "Bellzett" erlernten Teilnehmerinnen und Teamerinnen gemeinsam die Grundbegriffe von WenDo. "WenDo" bedeutet "Weg der Frauen" und ist die Bezeichnung eines Trainings von Selbstbehauptung und Selbstverteidigung, das ausschließlich Frauen anderen Frauen und Mädchen vermitteln. "Nach den Ereignissen der Kölner Silvesternacht hatten unsere Besucherinnen das Bedürfnis, Hilfestellung zu Selbstbehauptung zu erhalten", so Daniela Colazzo-Quakernack, die für dieses Angebot mit WenDo-Trainerin Lina Honens kooperierte (erstes Foto hinten rechts). Und ähnlich wie im Ruhrgebiet machten auch die westfälischen Ariadne-Teilnehmerinnen, bislang eher "Bewegungsmuffel", die Erfahrung, dass gerade angeleitete Bewegung in Gemeinschaft ein Weg aus gelegentlicher Antriebsarmut und depressiver Gedankenwelt sein kann.

Neu ist auch, dass die Regel "Kinder bleiben zuhause" momentan etwas aufweicht. So robbte beim WenDo-Kurs ein afrikanischer Säugling vergnügt auf seiner Wolldecke herum. Zur Begeisterung der Teilnehmerinnen – und ohne diese im Geringsten zu stören. "Ohne ihr Baby wäre die Mutter gar nicht erst gekommen", erklärt Daniela Colazzo-Quakernack. Sie beobachtet derzeit, dass gerade geflüchtete Frauen, die kurz nach ihrer Ankunft in Deutschland ein Kind zur Welt gebracht haben, eine besonders enge Bindung an ihr Baby entwickeln. Das Kind sei oft die einzige verlässliche Bezugsperson und es werde keinem Babysitter anvertraut. "Aber bevor eine Frau unsere Ariadne-Treffen gar nicht kennenlernt, nur weil sie sich nicht, und sei es auch nur für wenige Stunden, von ihrem Kind trennen möchte, soll sie das Kind doch lieber mitbringen!"

Innovativ sind nicht zuletzt die so genannten "Klein-Ariadne"-Treffen. Gemeint sind geografisch bedingte kleinere Vernetzungstage oder –nachmittage, beispielsweise von den Aidshilfen in Paderborn und Bielefeld oder in Münster und im Westmünsterland. "Denn wenn Frauen aus dem Kreis Borken zu einem Treffen in Paderborn eingeladen werden, ist ihnen die Fahrt meist zu weit", berichtet Manuela Brandt von der Aidshilfe Westmünsterland. Die kleinen Treffen sind oft anlassbezogen. So boten Westmünsterland und Münster anlässlich des letzten Weltfrauentags einen Workshop zum Erlernen von Massage- und Imaginationstechniken an. Und in Paderborn wurden Klein-Ariadne-Teilnehmerinnen aus Ostwestfalen in die arabische Küche eingeführt. "Die 'kleine Ariadne' ist ein Zusatzangebot. Sie steht in keiner Konkurrenz zur großen Ariadne und soll die große Schwester nicht verdrängen", so Annette Ritter von der Aidshilfe Münster. Daher würden auch zu "Klein-Ariadne"-Treffen Interessentinnen aus ganz Westfalen eingeladen. "Und haben sich auf großen Treffen Freundschaften zwischen Ostwestfälinnen und Münsterländerinnen entwickelt, so werden diese hin und wieder auch auf den kleinen Treffen gepflegt."

Bewegung, im wörtlichen und übertragenen Sinn. Flexibilität und eine Vielfalt von Angeboten. Ariadne ist lebendig, und die Organisatorinnen beweisen, dass sie willens und in der Lage sind, auf die jeweiligen Bedürfnisse und Bedarfe der Ariadne-Teilnehmerinnen einzugehen. Besser können positive Frauen in Westfalen nicht willkommen geheißen werden! 

 

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