HIV kommt in den besten Familien vor
Nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder und Jugendliche in NRW leben mit HIV. Für viele Familien ist das eine große Überforderung. Neben den rein gesundheitlichen kommen oft auch soziale und finanzielle Probleme auf sie zu. Zusätzlich belasten Stigmatisierung und Angst das Familienleben und die Suche nach kompetenter Hilfe. Hinzu kommt, dass besonders in ländlichen Gegenden Beratungsstellen und Schwerpunktkliniken nicht einfach zu erreichen sind.
Die Landeskoordination Aids, Kinder und Jugendliche unterstützt bei der Suche nach Beratungsstellen und Spezialisten. Sie informiert über bestehende Möglichkeiten und stellt bei Bedarf den ersten Kontakt her. Sie ist ein überregionales Angebot für ganz Nordrhein-Westfalen, liegt seit 2005 bei der Aidshilfe NRW und vernetzt Hilfs- und Beratungsangebote und stellt auf diese Weise sicher, dass Menschen mit HIV, Erwachsene und Kinder, und deren Angehörige Zugang zu Informations- und Fortbildungsangeboten haben. Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, Ämter, Kindergärten und Schulen müssen über das Leben mit HIV Bescheid wissen. Dies gilt auch für künftige Pflegeeltern von Kindern mit HIV, die sich auf ihre Aufgabe vorbereiten.
Die Landeskoordination Aids, Kinder und Jugendliche steht all denen zur Verfügung, die ein Interesse am Thema und dem Wohlergehen der Kinder und Jugendlichen mit HIV haben. Mit ihrem gut ausgebauten Netzwerk hat sie einen großen Radius und damit die Möglichkeit, auf eine Vielzahl von Kontakten hinzuweisen bzw. diese direkt zu vermitteln. Unterstützt wird sie dabei von fachkundiger Seite: Den regionalen Aidshilfen und anderen Mitgliedsorganisationen der Aidshilfe NRW, dem öffentlichen Gesundheitsdienst und zahlreichen weiteren regionalen und überregionalen Institutionen.
Des Weiteren ist sie auf Bundesebene in der Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder und Jugendliche im Umfeld von HIV/AIDS (BAG) vernetzt. Die BAG ist ein bundesweiter Interessenzusammenschluss von Organisationen, die mit HIV/ Aids-betroffenen Familien zusammenarbeiten. Sie hat das Ziel, die Lebenssituation der betroffenen Familien sichtbar zu machen und sie durch gezielte Angebote zu verbessern.
Kontakt
Aidshilfe NRW e.V.
Lindenstraße 20
50674 Köln
Petra Hielscher
Telefon: 0221 925996-16
E-Mail: petra.hielscher@nrw.aidshilfe.de
nrw.aidshilfe.de
Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder und Jugendliche im Umfeld von HIV/AIDS
Die Arbeitsgemeinschaft ist ein bundesweiter Interessenzusammenschluss von Organisationen, die mit HIV/AIDS-betroffenen Familien zusammenarbeiten. Sie setzt sich zusammen aus Sozialpädagoginnen, Sozialarbeiterinnen, Familienhelferinnen und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen, die als Fachkräfte in Beratungsstellen, Kliniken und gemeinnützigen Vereinen arbeiten. Sie bietet Beratung an für Kinder, Jugendliche und Eltern sowie für soziale Einrichtungen im Kinder- und Jugendhilfebereich und im Gesundheitswesen.
Eine gute
Vernetzung mit regionalen und überregionalen Verbänden, Organisationen,
Kliniken, Ärzten und Einrichtungen der Jugendhilfe, ermöglicht eine
intensive Ausarbeitung individueller Hilfsangebote. Die
Bundesarbeitsgemeinschaft hat das Ziel, die Lebenssituation der
betroffenen Familien sichtbar zu machen und sie durch gezielte Angebote
zu verbessern. Sie begreift sich als Vertreterin von Kindern,
Jugendlichen und ihren Familien, die mit HIV leben.
Während sich
aus medizinischer Sicht für Menschen mit HIV sehr viel verändert hat,
hat sich im gesellschaftlichen Umgang mit ihnen nur wenig verbessert.
Neben der Bewältigung sozialer, medizinischer und finanzieller Probleme bestimmen oft Angst vor Ausgrenzung und Stigmatisierung den Alltag der Familien. Die Bundesarbeitsgemeinschaft begreift sich als Verteterin der betroffen Kinder und Jugendlichen und ihren Familien.
Mitglieder der Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder und Jugendliche im Umfeld von HIV/AIDS sind:
Aids und Kinder e.V. Baden-Württemberg
Dammweg 58
69123 Heidelberg
Telefon: 0176 96566594 (Mailbox)
E-Mail: info@aidsundkinder.de
aidsundkinder.de
Ansprechpartnerinnen:
Elke Adler
Nicole Gerner
Aidshilfe NRW e.V.
Lindenstraße 20
50674 Köln
nrw.aidshilfe.de
Ansprechpartnerin
Petra Hielscher
Telefon: 0221 925996-16
E-Mail: petra.hielscher@nrw.aidshilfe.de
nrw.aidshilfe.de
Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz Hamburg e.V.
VHIVA Kids, Familienleben mit HIV
Hellkamp 68 | Eingang Clasingstraße
20255 Hamburg
ajs-hamburg.de
Ansprechpartnerin:
Patricia Barth
Telefon: 040 4109800
p.barth@ajs-hh.de
Klinikum der J.W. Goethe Universität Kinderklinik
Theodor-Stern-Kai 7
60590 Frankfurt am Main
Ansprechpartnerin:
Annette Pach
E-Mail: annette.pach@kgu.de
Niedersächsische AIDS-Hilfe Landesverband e.V.
Schuhstr. 4
30159 Hannover
Telefon: 0511 3068787
niedersachsen.aidshilfe.de
Ansprechpartnerin:
Ingrid Mumm
E-Mail: mumm@niedersachsen.aidshilfe.de
Blick über den Tellerrand - Internationale Aids-Konferenz 2018 in Amsterdam
Besuch einer Vortragsreihe mit dem enigmatischen Titel "Girl uninterrupted". - Die Pause nach den Vorträgen verbringt Petra Hielscher von der Aidshilfe NRW mit ihrer Kooperationspartnerin Ingrid Mumm, Aidshilfe Niedersachsen. Die beiden Frauen besetzen in ihren jeweiligen Landesverbänden Stellen, die deutschlandweit einzigartig sind: Sie koordinieren die landesweite Arbeit im Bereich Aids, Kinder/Jugendliche und Familie. - Petra Hielscher ist in der Aidshilfe NRW gleichzeitig für den Fachbereich Frauen und HIV/Aids zuständig.
IM: "Girl uninterrupted". Der Titel hat mich gereizt. PH: Mädchen, ungestört. Gemeint ist vermutlich, dass Mädchen und junge Frauen in patriarchalisch strukturierten Ländern – und von solchen war die Rede - einen Schutzraum brauchen. Damit sie sich "uninterrupted", das heißt ohne Unterbrechung und ungestört entwickeln können.
IM: Ungestört vor allem von HIV/Aids. Wobei man in diesen Ländern Mädchen gegenüber das Thema sexuelle Gesundheit nicht direkt ansprechen darf.
PH: Ja, Informationen über Sexualität und sexuell übertragbare Infektionen müssen in einem "Gesundheitspäckchen" versteckt werden. So zumindest beschrieb es die junge Zambianerin auf dem Podium.
IM: Anregend fand ich vor Eröffnung der Publikumsdiskussion die Frage des Moderators: "Was war das Wichtigste, was Sie während der Vortragsreihe gedacht haben? GEDACHT, nicht etwa GELERNT?"
PH: Und wir hatten beide dieselben Gedanken: Da wird in den Vorträgen über Männerdominanz und die vielen Verwundbarkeiten heranwachsender Mädchen und junger Frauen im südlichen Afrika berichtet. Aber haben wir hier völlig andere Verhältnisse?
IM: Nein, auch bei uns herrscht noch keine Gender-Gerechtigkeit.
PH: Wenigstens besteht mittlerweile Einigkeit darüber, dass wir den weltweiten Feldzug gegen HIV/Aids nur gewinnen, wenn global Mädchen und junge Frauen gestärkt werden.
IM: Und es erscheint glaubhaft, dass in afrikanischen Ländern einige Projekte, die primär für Männer entwickelt worden sind, letztlich darauf abzielen, Frauen gesund zu erhalten. Zum Beispiel die neuen HIV-Selbsttest-Angebote in Subsahara-Afrika.
PH: Jedoch reichen HIV- und STI-bezogene Präventionsmaßnahmen nicht aus. Kontrolle über ihr Leben erlangen Frauen erst durch strategische und strukturelle Unterstützung - indem sie Zugang zu Bildung und Ausbildung erhalten.
IM: Eindrucksvoll, wie sogar auf der Eröffnungsfeier Celebrities wie Mabel van Oranje oder die Schauspielerin Charlize Theron die Zielgruppe Mädchen und junge Frauen in den Fokus gerückt haben.
PH: Und diese Promis sind keine Aushängeschilder, sondern zeigen authentisches Engagement in eigenen Projekten. Wie etwa die Prinzessin, die sich persönlich für die Abschaffung der Kinderehe einsetzt und auf der Eröffnung ein leidenschaftliches Plädoyer für das Empowerment von Mädchen und Frauen gehalten hat.
IM: Übrigens sind die Celebrities des Öfteren im Global Village anzutreffen. Wo, finde ich, ganz andere Schwingungen herrschen als in den Konferenzsälen.
PH: Das Village ist wahrlich eine Powerzone. Und als internationaler Raum der Begegnung eine großartige Ergänzung zum wissenschaftlichen Hauptprogramm.
IM: Bunte Kleidung, farbenprächtige Stände, ein eigener Youth Pavilion. Es heißt, dass an keiner anderen Welt-Aids-Konferenz so viele junge Aktivist*innen teilgenommen haben wie hier in Amsterdam.
PH: Und es gibt viele kreative Live Performances und Events. Grandios z. B. die große Tanzparty von U = U! Die Kollegin aus Aachen postete am nächsten Tag: "Ein Freudentanz zur Botschaft, dass Schutz durch Therapie wirkt".
IM: Undetectable = Untransmittable. Bei uns "Nicht nachweisbar = Nicht übertragbar".
PH: Eine Kampagne, die darüber aufklärt, dass das HI-Virus sexuell nicht übertragbar ist, wenn Menschen mit HIV unter erfolgreicher Therapie stehen. Das heißt, HIV in ihrem Blut nicht nachweisbar ist.
IM: Wobei U = U über eine Informationskampagne längst hinausgewachsen und zu einer breiten Antidiskriminierungsbewegung der Community geworden ist…
PH: … die sich zunehmend politisiert, indem sie den Standpunkt vertritt, dass Nichtnachweisbarkeit von Viruslast und der Zugang zu erfolgreicher Behandlung Menschenrechte sind.
IM: Wer diesen Standpunkt ernst nimmt, versteht die Wut vieler afrikanischer Kongressteilnehmerinnen über die angedachte Rücknahme von Dolutegravir. Dem Integrasehemmer, der laut einer botswanesischen Studie bei schwangeren Frauen möglicherweise zu vermehrten kindlichen Fehlbildungen geführt hat. Andererseits gilt das Präparat als ideales Medikament für eine breite Anwendung: hoch wirksam, wenige Nebenwirkungen, kaum Wechselwirkungen mit anderen Substanzen.
PH: Deutlich wird, dass die Community - in diesem Fall afrikanische Frauen - selbst entscheiden möchte, ob sie das Medikament einnimmt oder nicht. Denn im Gegensatz zu uns steht Menschen in Afrika kein anderer Integrasehemmer zur Verfügung.
IM: Nun gibt es in der Community auch viele Menschen, die nicht infiziert sind. Die aber ein hohes HIV-Infektionsrisiko tragen.
PH: Wie, neben der Gay Community, Transgender People und Sex-Arbeiter*innen. Alle sichtbar auf diesem Kongress, wenngleich hauptsächlich im Global Village und kaum in der Hauptkonferenz.
IM: Sie unterstützen U = U, stellen aber eigene Forderungen.
PH: Allem voran fordern sie Zugang zur PrEP (Prä-Expositions-Prophylaxe). Ob als täglich einzunehmendes Medikament, als zeitlich begrenzte Medikation oder – für Frauen – als Ring, der vaginal eingeführt wird und drei Monate vor einer HIV-Übertragung schützt.
IM: In einer Netzwerk-Zone des Village beschrieb eine japanische Sexarbeiterin, welche Odyssee sie zurückgelegt hat, bis sie die orale PrEP auf Kassenrezept erhielt. Sie sah sich gezwungen, hierfür sogar ihren Arbeitsplatz von Europa in die USA zu verlegen.
PH: Genau diese Frau habe ich, ebenfalls im Village, in einem Podiumsgespräch erlebt. Sie diskutierte mit einer Kollegin aus Uganda, die nicht die orale PrEP, sondern den Vaginalring verwendet. Und die wiederum hat mein Blickfeld beträchtlich erweitert.
IM: Hat sie den Ring nicht im Rahmen einer Studie erhalten?
PH: Ja, und sie betrachtet ihn als große Errungenschaft, obwohl er das HIV-Übertragungsrisiko nur halbiert.
IM: Du meinst, WIR rümpfen die Nase. Nur 50 Prozent Risikominimierung. So etwas darf man doch niemandem anbieten. SIE aber sagt: Her mit dem Ring! 50 Prozent weniger Risiko – das ist doch ein Fortschritt!
PH: Eine pragmatische und optimistische Herangehensweise. Der Vaginalring als Chance, negativ zu bleiben. Eine Perspektive zu haben. - Die junge Frau hat dann parallel zu ihrer Sexarbeit sogar ein Bachelor-Studium absolviert.
IM: Das Beispiel macht deutlich, aus welch komfortabler Position heraus wir hier über wissenschaftliches Restrisiko weitaus sicherer Präventionsmethoden, wie orale PrEP oder Schutz durch Therapie, diskutieren.
PH: Das sehe ich auch so. Vermutlich halten Menschen aus anderen Teilen der Welt einige unserer hiesigen Sorgen für Luxusprobleme. Amsterdam zeigt: Der Blick über den Tellerrand ist wichtig!