Migration

Vernetzung - Information - Gesundheit

MiSSA NRW ist ein Netzwerk von und für Menschen aus Subsahara Afrika, die sich mit Förderung von Gesundheit und HIV-Prävention beschäftigen. Die Aidshilfe NRW und ihre Partner*innen helfen dabei. Vernetzung, Austausch und Hilfe sind am wichtigsten. Gesundheit ist ein Menschenrecht und wir wollen mit dieser Webseite helfen, den Zugang zu verbessern. missa-nrw.de

Frauen-Treffen MiSSA in Münster

Frauen-Treffen MiSSA in Münster

Vorab ein paar Fakten zum Hintergrund: 


1. „Migrant*innen aus Subsahara-Afrika (MiSSA) sind hinsichtlich der HIV-Übertragung eine in Deutschland epidemiologisch relevante Gruppe, die in den letzten Jahren 10-15 % aller HIV-Erstdiagnosen stellten.“ (Zitat aus der Zusammenfassung der MiSSA-Studie des Robert Koch-Instituts 2017)

2. Nordrhein-Westfalen ist laut statista das Bundesland mit der höchsten Zuwanderungsrate. 

3. Forscher des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung haben in ihrer aktuellen Studie „Europa als Ziel? Die Zukunft der globalen Migration“ u. a. herausgefunden, dass in Ländern südlich der Sahara der Migrationswunsch bzw. -druck am größten ist (siehe berlin-institut.org/studien-analysen/detail/europa-als-ziel).

Zählt man eins und eins zusammen, so liegt es für die Aidshilfe NRW mehr als nahe, sich auch dieser Menschen in NRW zu widmen und im Rahmen der Sekundärprävention niedrigschwellige Unterstützungsmaßnahmen zur Bewältigung der Krankheit anzubieten. Dazu gehört MiSSA NRW. Ein landesweites Netzwerk zur gesundheitlichen und sozialrechtlichen Beratung, Betreuung, zum Austausch, zur Unterstützung und eben zur Vernetzung. 

2017 entstand in Münster die erste reine Frauengruppe für Migrant*innen mit HIV aus Subsahara Afrika in NRW. Sie versteht sich als ein Angebot, das unter den Strukturen von XXelle NRW sowie MiSSA NRW vernetzt ist. Verantwortlich für die Organisation und Durchführung sind seitdem Manuela Brandt von der Aidshilfe Westmünsterland und Anke Papenkort von der Fachstelle Sexualität und Gesundheit, Aids-Hilfe Münster. 

Münster als Versammlungsort ergibt sich aus dem Einzugsbereich der Uniklinik Münster, wo eine XXelle-Vertreterin der Fachstelle für Sexualität und Gesundheit in enger Kooperation mit den Ärzt*innen der Ambulanz für erworbene Immunschwäche seit vielen Jahren eine Sprechstunde für Frauen mit HIV anbietet, derzeit montags. Es handelt sich dabei um ein psychosoziales Beratungsangebot mit dem Ziel der Aufklärung und psychischen Verarbeitung der HIV-Diagnose sowie der Unterstützung bei Diskriminierungserfahrungen, migrationsspezifischen und sozialrechtlichen Fragestellungen. 

Seit 2017 finden die regionalen MiSSA-Treffen der Frauen mittlerweile mit großem Erfolg vier bis sechs Mal jährlich statt. Eine HIV-Infektion und deren zumeist sehr schlechte medizinische Versorgung wird in vielen Ländern auch heute noch begleitet von Tabuisierung und Stigmatisierung. Konkret bedeutet das Bekanntwerden einer HIV-Diagnose in der eigenen Community für die MiSSA-Frauen die reale Gefahr des Ausschlusses aus dieser Gemeinschaft, aus dem einzigen sozialen Rückhalt im Einwanderungsland. Um den damit verbunden Ängsten entgegenzuwirken und sich zu stärken, um sich kennenzulernen und untereinander zu vernetzen und „unter Gleichen“ quasi risikolos ein wenig Zeit verbringen zu können, nehmen die Teilnehmerinnen daher einiges auf sich. Dabei brauchen sie neben Mut auch viel Zeit und Ausdauer. So decken die beiden Aidshilfen Münster und Westmünsterland die Kreise Borken, Steinfurt und Coesfeld sowie die Stadt Münster ab. Einzelne Frauen reisen sogar aus dem Hochsauerland an, um Kontakte zu knüpfen und sich zu vernetzen. Das sind auf dem Land enorm weite Entfernungen, wenn man sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen muss. Es gibt Frauen, die schon bis zu vier Stunden für eine einfache Fahrt gebraucht haben. 

Um es den Frauen etwas zu erleichtern, sorgen die Organisatorinnen stets für eine Kinderbetreuung und haben noch dazu die Erstattung der Fahrtkosten durch die Deutsche AIDS-Stiftung ermöglicht. 

Natürlich haben weite Anfahrtswege auch den Vorteil eines Schutzes durch Anonymität. Auf der anderen Seite gab es auch schon einen Fall, in welchem sich bei einem solchen Treffen zwei Frauen aus Subsahara Afrika wiedersahen, die sich kurz vorher noch im Ort gegenseitig ausgeholfen hatten. Sie kannten sich vom Sehen. Das löste im MiSSA-Treffen zunächst einen Moment des Schreckens aus, der jedoch recht schnell von der Freude und auch Erleichterung darüber abgelöst wurde, eine gefunden zu haben, die in der gleichen Situation ist. Und genau darum geht es. Um Gemeinschaft und gegenseitiges Empowerment. Und um das Vertrauen, hier geschützt zu sein. Daher kann es als ein riesiger Erfolg gewertet werden, dass die meisten der Frauen seitdem immer wiederkommen. Über die Jahre sind sogar Freundschaften daraus entstanden.

Der Gruppe steht eine Koordinatorin zur Verfügung, eine Peer-to-Peer-Person, die bei der Deutschen AIDS-Hilfe eine Buddy-Ausbildung absolviert hat. Sie ist sehr engagiert, hält zu allen den Kontakt, auch wenn – wie jetzt durch Corona – die Treffen mal nicht stattfinden können. Sie bringt die Sportsachen mit und schickt Erinnerungen und Einladungen zu den Treffen. In diesem Kontext hat sie eindeutig eine Vorbildfunktion für die Frauen, ist eine von ihnen und eine, die viele motiviert und mitreißen kann. 

Bei jedem MiSSA-Treffen der Frauen wird zum Schluss besprochen, was beim nächsten Mal auf der Tagesordnung stehen soll. Von gemeinsamem Sport, Tanz, über Musik, Spiele und Picknick bis zu Wichtel-Treffen zu Weihnachten ist alles möglich (zumal mit den neuen XXelle-Therabändern, die draußen wie drinnen vielseitig verwendbar sind). 

Im zweiten Teil der Treffen geht es dann um einen inhaltlichen Input. Auch hier muss das Thema von den Frauen kommen. Auch hier sind die Gesprächsbereiche vielfältig, mal geht es um Übergewicht und/oder Ernährung, mal geht es um sozialrechtliche Fragen, um Fragen der Einwanderung, um Ärger mit dem Jobcenter oder an wen man sich wenden kann, wenn man eine Unterkunft sucht, mal geht es um Sex oder medizinische Fragen. Für Dezember 2021 ist eine Weihnachtsfeier geplant, im Januar 2022 soll ein Austausch über Verhütungsmethoden stattfinden. 

Manuela und Anke sorgen hierbei für den Rahmen und nutzen ihre Rolle am Rande für Hinweise und Erklärungen.

Die Frauen der MiSSA-Gruppe in Münster sind eindeutig Power Frauen. Sie sind meist alleinerziehend und wollen ihr Leben aktiv und selbst in die Hand nehmen. Sie sind nicht bereit, sich länger dieser doppelten Stigmatisierung durch Migrationshintergrund und HIV-Diagnose auszusetzen. Im Gegenteil: Sie wollen sich gegenseitig stärken und dazu beitragen, auch andere Frauen in ähnlichen Situationen darin zu unterstützen. Mit dieser Stimmung nehmen viele von ihnen auch an bundes-und landesweiten Vernetzungstreffen der DAH und der Aidshilfe NRW teil.

Und sie machen sich stark für Münster als Veranstaltungsort für das nächste bundesweite MiSSA-Treffen in 2022. 

Vernetzung stärkt und zeigt neue Wege auf

Die Diagnose HIV-positiv kann für Frauen viele Fragen und Ängste aufwerfen. Oft ist zunächst nicht klar, inwieweit das Virus zum Beispiel die berufliche und private Lebensgestaltung betrifft. Wie wird es sich auf Beziehungen zu Partner*innen oder Kindern auswirken, oder auch die Suche nach eine*r Partner*in oder einem Job beeinflussen?Hinzu kommt, dass Frauen mit HIV trotz hoch wirksamer Therapien immer noch Diskriminierung und Ausgrenzung erfahren. Sie erleben sie in medizinischen Behandlungen, am Arbeitsplatz und in ihrer Freizeit. Insbesondere Frauen die nicht fließend Deutsch sprechen, eine dunkle Hautfarbe haben oder ein Kopftuch tragen, sehen sich häufig gleich mehreren Formen der Diskriminierung ausgesetzt und werden in ihrem Alltag mit strukturellem Rassismus, Frauenfeindlichkeit und Unaufgeklärtheit bezüglich HIV-Infektionen und möglicher Therapien konfrontiert.

Diese Erlebnisse sind traumatisierend, verletzen ihre Integrität und beschädigen sie in ihrem Selbstwertgefühl. Während hier auf gesellschaftlicher Seite sicher noch viel Aufklärungsarbeit von Nöten ist, gilt es aber auch die Frauen zu stärken und ihnen Ressourcen zugänglich zu machen.

Kelly Cavalcanti, eine einundfünfzigjährige Aktivistin und gebürtige Brasilianerin, weiß das aus eigener Erfahrung und plante und organisierte vor diesem Hintergrund für die Aidshilfe NRW einen Workshop, der sich an Migrantinnen mit HIV richtete. Unterstützung holte sie sich dafür von Sandra Karangwa, einer Referentin für Antidiskriminierung der Stadt Köln, und der Co-Moderatorin Alphonsine Kayinamura von der Bonner Aidshilfe.

Eigentlich war das Seminar für zwanzig Teilnehmerinnen geplant, aber wegen der Corona-Pandemie konnten sich an einem Wochenende im September nur 11 Migrantinnen im „Haus am Turm“ in Essen treffen.

Es zeigte sich, dass das am Waldrand gelegene Tagungshaus ein guter Ort war, um zur Ruhe zu kommen und sich auszutauschen. Nach der Anreise am Freitagabend und einem gemeinsamen Essen gab es in einer ersten Vorstellungsrunde die Möglichkeit, etwas mehr über die jeweilige Herkunft und aktuelle Situation in Deutschland zu erfahren. Der Samstag begann mit Achtsamkeits- und Selbstwahrnehmungsübungen. So entstand ein geschützter Raum in dem die Frauen einander vertrauensvoll begegnen konnten.

In einer anschließenden Präsentation schilderte Sandra Karangwa ihre Arbeit in der Antidiskriminierungsstelle, konkretisierte den Begriff der „Mehrfachdiskriminierung“ und gab auch wertvolle Tipps für Unterstützungsangebote und rechtliche Möglichkeiten.Anschließend konnten die Teilnehmerinnen in Kleingruppen eigene Erfahrungen schildern und an diesen konkreten Beispielen diskriminierende Strukturen benennen und Lösungsstrategien entwickeln. So schilderte zum Beispiel eine Teilnehmerin, dass die Gynäkologin in ihrem Mutterpass vermerkt hatte, dass sie HIV-positiv ist. Dies führte dazu, dass die werdende Mutter sich bei allen Folgeuntersuchungen erklären musste und mitunter als Risiko für das medizinische Personal galt. Natürlich gab es weder für die Annahme, dass sie ein Gesundheitsrisiko für andere darstelle, noch für den Vermerk der Infektion eine medizinische oder rechtliche Grundlage, dennoch wurde es der Frau zugemutet.

Fälle wie diesen offenbaren nicht nur mangelnde Empathie des medizinischen Personals, sie zeugen auch von Unkenntnis und machen deutlich, dass auch in diesem Bereich für die Aidshilfe noch viel Aufklärungsarbeit nötig ist.

Kelly und ihrer Co-Moderatorin war es wichtig, zu vermitteln: du bist nicht allein mit deinen Erfahrungen. Du wirst gesehen und gehört und es gibt Möglichkeiten der Unterstützung für dich und es gibt innerhalb und außerhalb der Aidshilfe Beratungsangebote die sowohl rechtliche als auch psychosoziale Hilfe bieten.

In der abschließenden Feedbackrunde am Sonntag äußerten sich die Frauen sehr zufrieden mit den Inhalten des Seminars. Durch die Gespräche und die Möglichkeit zur Vernetzung über diese drei Tage hinaus fühlten sie sich gestärkt und empowert und äußerten den Wunsch, dass dieses Format zu einem regelmäßigen Angebot werden würde.

Termine

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Frauen und HIV Info

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Auf der Internetseite frauenundhiv.info der Deutschen AIDS-Hilfe finden Sie weitere Informationen zum Thema Frauen, HIV und Aids.

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