2025-06-02: Zum Internationalen Hurentag - "Wir sind eine Gesellschaft von Singles. Wie soll denn da ein Sexkaufverbot funktionieren?"

Internationaler Hurentag - "Wir sind eine Gesellschaft von Singles. Wie soll denn da ein Sexkaufverbot funktionieren?"Heute wird der Internationale Hurentag begangen. Prostitution wird häufig mit Gewalt und Menschenhandel gleichgesetzt – ein zentraler Aspekt sowohl im deutschen Prostituiertenschutzgesetz als auch im sogenannten nordischen Modell. Diese Sichtweise verkennt jedoch, dass es Menschen gibt, die freiwillig in der Sexarbeit tätig sind. Für sie hätte eine Annäherung an das nordische Sexkaufverbot, das auch in Deutschland gelegentlich diskutiert wird, gravierende Folgen: Es würde das fremdbestimmte Ende ihrer beruflichen Laufbahn einläuten. Ein Beispiel ist Mona, eine Prostituierte mit vierzig Jahren Berufserfahrung, die sich selbst als freie, autonome Hure bezeichnet. - Zwei Vertreterinnen der Landesarbeitsgemeinschaft Frauen* und HIV/Aids in NRW zeichnen das Bild einer disziplinierten Kleinunternehmerin, die selbstbestimmt entscheiden möchte, wann sie ihre Tätigkeit beendet.

Monas Studio

Eine Kleinstadt im Ruhrgebiet. In einem unscheinbaren Mietshaus nahe der Fußgängerzone befinden sich eine Sportarztpraxis, ein Nagelstudio, ein Friseursalon und eine Beauty Lounge. Auf einem weiteren Klingelschild steht schlicht "Studio". Hinter der Tür verbirgt sich die Welt der Prostituierten Mona, die sich in ihrer online-Werbung als 'nahbare Domina' beschreibt. "Wobei heute kaum noch jemand nach speziellen Domina-Diensten fragt", erzählt sie. "Die meisten wollen Normalsex, mit einer Prise von bizarr oder pervers." Ihre Lounge bietet die entsprechende Bandbreite: Neben Gynäkologenstuhl und diversen Fetisch-Utensilien findet sich dort ein einladender Softbereich mit großem Gummibett.

Zum Gespräch führt Mona uns in ihren großzügigen Empfang im Vintage Stil. Es ist sehr warm hier, und nur wenig Tageslicht fällt herein. Doch über der Sofalehne prangen kräftig rote Kissen, und ihre Lippen, sorgfältig zu einem Herzen geschminkt, leuchten im gleichen Rot. Warme, dunklere Rottöne dominieren in einem stilvollen Farbdruck von Marylin Monroe, der über dem Sofa die Blicke auf sich zieht. Die Szene wirkt wie ein Stillleben – harmonisch arrangiert.

Werdegang

Mona verrät uns ihr Alter nicht. Sie dürfte in ihren Siebzigern sein - eine kleine, Frau mit burschikosem Wuschelkopf und immer noch vitaler, jugendlicher Ausstrahlung. Begonnen hat sie ihre Arbeit schon vor der EU-Osterweiterung, vermutlich sogar vor dem Mauerfall. Wir schätzen, dass sie über ca. vierzig Jahre Berufserfahrung verfügt. "Damals lag das Geld noch auf der Straße", erinnert sie sich wehmütig an ihre Anfangszeit. "Aber mit Öffnung der Grenzen kam die Konkurrenz."

Sie wächst als einziges Kind eines Bäckers und Konditors auf – bescheiden, aber nicht in Armut. Die lebensfrohe Mutter wird später ihre beste Freundin. Aber sie fürchtet den streng katholischen Vater. Er verbietet ihr, tanzen zu gehen, und als die Tochter sich zum ersten Mal schminkt, ohrfeigt er sie, dass ihr Hören und Sehen vergehen. Als Erwachsene arbeitet Mona zunächst im Groß- und Außenhandel. Anders als bei vielen ihrer späteren Kolleginnen führen nicht finanzielle Not oder Schulden sie in die Prostitution. Der Wendepunkt kommt während eines Aufenthalts in Spanien. Dort trifft sie auf eine Gruppe Prostituierter, die zu dieser Zeit auf der Frankfurter Kaiserstraße arbeiten. "Was die verdienten, davon konnte ich in meinem Bürojob nur träumen!" Die Aussicht auf schnelles, vergleichsweise leicht verdientes Geld und ein großzügigeres Leben reizt sie – und bringt sie dazu, mit Anfang dreißig in die Prostitution einzusteigen.

Erfolgreiche Laufbahn

Bis zum Schengener Abkommen 1995 führt sie ein gutes Leben, genießt etwas Luxus, bereist Südamerika, die Hawaii-Inseln, Las Vegas. Nach dem EU-Beitritt Rumäniens und Bulgariens 2007 wird es finanziell enger. Doch trotz wachsender Konkurrenz und fortschreitenden Alters behauptet sie sich als selbstständige Sexarbeiterin. Was ist das Geheimnis ihres Erfolgs? Wie in vielen Berufen sind es Eigenschaften einer bodenständigen und strukturierten Persönlichkeit. An erster Stelle stehen Geradlinigkeit und Redlichkeit: "Meine Preise sind für die normale Brieftasche. Ich ziehe niemanden über den Tisch." Für eine halbe Stunde sexueller Dienstleistungen nimmt sie maximal 70 Euro. Braucht ein Kunde weniger Zeit als geplant, bekommt er anteilig Geld zurück. Hinzu kommen Höflichkeit und Freundlichkeit, denn "wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus." Verlässlichkeit und Disziplin: "Außer am Wochenende arbeite ich immer, selbst wenn ich mal nicht gut drauf bin." Ebenso wichtig sind klare Grenzen. Um optimal vorbereitet zu sein, bespricht sie Leistungen vorab detailliert am Telefon. Spontane zusätzliche Dienste, die nicht vereinbart sind, lehnt sie konsequent ab. Praktiken, die sie selbst nicht mag, finden gar nicht erst Eingang in ihr Angebot. "Wer trotzdem danach fragt, bekommt eine Absage", erklärt sie mit Nachdruck. Sie ist selbstbewusst, und Selbstbewusstsein betrachtet Mona als die entscheidende Voraussetzung für eine erfolgreiche Laufbahn in der Sexarbeit.

Die Kunden, allesamt deutscher Herkunft, sind zwischen ca. 35 und 75 Jahre alt. Es seien "Gentlemen", wie sie sagt, meist langjährige Besucher, die in der Regel geschäftlich unterwegs sind. Jüngere Männer, "so Neunzehnjährige", kommen für sie nicht infrage: "Da käme ich mir pervers vor." Gewalt ist Mona nie widerfahren. „Ich bin eine freie, autonome Hure“, betont sie mehrmals. Stolz schwingt mit in diesem Satz. Die Kombination aus Dienstleisterin und Chefin in einer Person gefällt ihr – und scheint ihr auf den Leib geschnitten. Dennoch ist der Beruf für Mona kein Herzensanliegen, sondern reiner Broterwerb.

Kontrolle und Stigmatisierung

Die Historikerin Sonja Dolinsek, die sich intensiv mit der Geschichte von Prostitution und Sexarbeit im 20. Jahrhundert beschäftigt, kommt in ihren Forschungen zu dem Ergebnis, dass weltweit und über alle Zeiten hinweg Prostitution als abweichendes Verhalten bewertet werde, das allenfalls toleriert würde. In der Folge blieben Sexarbeiter*innen grundlegende Menschenrechte wie freie Berufswahl oder rechtliche Anerkennung verwehrt. Statt Sexarbeitende zu schützen, zielten Gesetzgebungen oft mehr auf den Schutz der Gesellschaft vor den "Devianten" ab. Sowohl das in Deutschland geltende Prostituiertenschutzgesetz als auch das nordische Modell seien Ansätze, die unter dem Vorwand des Schutzes letztlich zu weiterer Kontrolle, Stigmatisierung und Kriminalisierung von Sexarbeitenden führten.

Mona wird hellhörig. Dieser Darstellung stimmt sie zu, wenngleich ihr Umgang mit Gesetzgebung pragmatisch ist, nicht kämpferisch-aktivistisch. Sie hält sich an die Vorgaben, obwohl sie deren Sinnhaftigkeit infrage stellt und die Anforderungen als Zumutung empfindet. Ein Beispiel ist die verpflichtende jährliche Gesundheitsberatung im zuständigen Gesundheitsamt. "Was wollen die mir denn bitte erzählen?", fragt sie, die weder raucht noch trinkt – "keinen Tropfen!" – und keinerlei Drogen konsumiert. Immer Kondome verwendet, in gebührenden Abständen die Ärzt*innen ihres Vertrauens aufsucht. Um das Gesundheitsamt zu erreichen, ist sie aufgrund schlechter Verkehrsanbindung auf ein Taxi angewiesen. Eine Fahrt, die 80 Euro kostet - das entspricht ihrem Lebensmittelbudget bei Aldi für zwei Wochen. "Prostituiertenschutzgesetz", schnaubt sie, "die schützen jedenfalls nicht mein Geld!" Und dass die Regelungen Menschenhandel eindämmen, bezweifelt sie. "Der hat doch in den letzten Jahren eher noch zugenommen."

Ebenso pragmatisch geht sie mit Stigmatisierung um. "Die sitzt tief in den Köpfen der Menschen, das wird sich nie ändern", sagt sie resigniert. Besonders nahe geht es ihr, wenn sie erfährt, dass Kinder in der Kita gemobbt werden, weil die Berufstätigkeit der Mutter bekannt geworden ist. Um sich selbst vor Stigmatisierung zu schützen, vermeidet sie im Privaten Nähe und outet sich grundsätzlich nie. Sie erzählt von einem Urlaub, in dem Campingnachbarn den Kontakt zu ihr und ihrem damaligen Ehemann suchten. Während ihr Mann aufgeschlossen war, hielt Mona Abstand und riet auch ihm, auf Distanz zu bleiben. Macht so etwas nicht einsam? Nein, sagt sie, sie sei Eigenbrötlerin. "In einem nächsten Leben würde ich z. B. nicht noch einmal heiraten. Viel zu viele Kompromisse." Nach drei Ehen genieße sie jetzt "anhanglos" ihre Ungebundenheit.

Woran scheiterten die Beziehungen? "Mit meinem Job sind die Männer eigentlich klargekommen. Aber es gab immer wieder Streit, etwa wenn wir unter der Woche verabredet hatten, am Wochenende die Familie zu besuchen, und ich dann am Sonntag einfach nur ausschlafen wollte." Grundsätzlich jedoch ist Mona überzeugt, dass die Stigmatisierung von Sexarbeitenden auch deren Ehepartner*innen betrifft. "Ich würde z. B. einem Politiker davon abraten, eine Prostituierte zu heiraten. Wenn das rauskommt – und es kommt immer raus! – hat er ein Problem."

Botschaften an die Politik

Zum bevorstehenden Evaluationsbericht über das Prostituiertenschutzgesetz hat Mona eine klare Botschaft an die Politik: "Einstiegsalter erhöhen – auf 25!" Unseren Einwurf, dass über eine Anhebung auf 21 Jahre bereits diskutiert werde, weist sie zurück. "Das genügt nicht. Wenn ich daran denke, was für ein Gänschen ich mit zwanzig noch war!" Ein Sexkaufverbot hingegen wäre für sie ein Verstoß gegen das Recht auf freie Berufswahl. Sie hat sich einst bewusst für Prostitution entschieden, und trotz wachsender Konkurrenz und sinkender Nachfrage möchte sie so lange wie möglich in ihrem Beruf bleiben. "Und selbst entscheiden, wann Schluss ist." Darüber hinaus hält sie ein solches Verbot für unrealistisch: "Wir sind eine Gesellschaft von Singles. Wie soll denn da ein Sexkaufverbot funktionieren?"

Ausblick in harten Zeiten

Mona räumt ein, dass die Zeiten sich geändert haben. Ihr Erfolgsmodell läuft aus. Vor allem die wirtschaftlichen Folgen des Corona-Lockdowns tragen dazu bei. "Die Menschen haben kein Geld mehr übrig fürs Vergnügen", erklärt sie und berichtet von sinkenden Gästezahlen. An guten Tagen kommen vier Besucher, früher waren es sechs bis acht. Mitunter bleibt das Studio sogar leer. Lediglich ihre günstigen Mietbedingungen – seit vier Jahrzehnten nahezu unverändert – ermöglichen es ihr, sich über Wasser zu halten. Aus heutiger Perspektive würde sie keiner Frau mehr zu Sexarbeit raten: "Es lohnt sich einfach nicht."

Was ist mit Ruhestand? "Ich würde mich zu Hause nur langweilen – den ganzen Tag meine Porzellanfiguren abstauben", sagt sie lächelnd. Falls wider Erwarten doch noch ein Sexkaufverbot eingeführt werde, könne sie sich gut vorstellen, als freie Sexualberaterin zu arbeiten: "Das würde mir liegen." Dann wird ihr Ton ernst: "Ich kann mir Aufhören gar nicht leisten." Da sie, wie viele Kleinunternehmer*innen, nicht in die Rentenversicherung eingezahlt hat, dient allein ihr Eigenheim als Altersvorsorge. "Andere Kolleginnen haben nicht einmal das!"

Im letzten Viertel des Gesprächs verdichtet sich die Atmosphäre. Es beginnt heiter: Mona holt einen kleinen Teddy mit umgeschnalltem Dildo hervor und demonstriert daran einen professionellen Blowjob. Wir lachen - und schauen fasziniert zu. Später spricht sie über junge Paare, die Eltern werden und bei denen der Sex aus dem Alltag verschwindet, weil das Kind alle Energie beansprucht. Von der Verletztheit, die Frauen empfinden, wenn sie erfahren, dass ihr Mann eine Prostituierte besucht – etwas, das auch uns kränken würde oder in der Vergangenheit gekränkt hätte, wie wir drei uns einig sind. Sie berichtet von älteren Paaren, bei denen beide mit den eigenen Wehwehchen beschäftigt sind oder chronische Erkrankungen den Alltag dominieren. Und doch bei allen die Sehnsucht bleibt – das Verlangen nach Nähe, Zärtlichkeit, Sexualität.

Aus Mona sprechen Einfühlungsvermögen und langjährige Berufs- und Lebenserfahrung – verbunden mit der Klarheit, dass es Rezepte, aber keine Patentrezepte gibt. Sie wäre eine gute Sexualberaterin.

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