2023-01-26: Christine Weißkopf und Lena Arndt – Zwei langjährige Wegbegleiterinnen von Frauen mit HIV gehen in den Ruhestand
Zeitenwende. So lautet das Wort, das zum Wort des Jahres 2022 gewählt wurde. Die Zeiten wenden sich. Überall. Aber wohin?
Christine und Lena jedenfalls hoffen, dass sich die Zeiten in den Aidshilfen nicht in Zeiten ohne Frauen und deren Vertretung, Begleitung und Beratung wenden. Dass Frauen mit HIV auch weiterhin hier ihre Anlaufstelle und ihren Platz finden, dass die Arbeit, die sie in den vergangenen zehn/zwanzig Jahren hier geleistet haben, auch weiterhin Bestand haben wird. Denn diese beiden Frauen wenden sich nun ihrer Rentenzeit zu.
Kommen wir zuerst zu Lena, weil sie diejenige ist, die sich bereits seit über 20 Jahren in der Aidshilfe Paderborn für Frauen mit HIV und ihre Belange auf zahlreichen Ebenen einsetzt. Lena kam aus der Arbeit in einem Frauenhaus, hatte sich dort aber zunehmend nach mehr beruflicher Vielfalt gesehnt. Ähnlich wie Christine. Lena wollte mit allen Geschlechtern zusammenarbeiten – sowohl im Team als auch im Klient*innenstamm. Das hat sie in der Aidshilfe Paderborn im Rahmen der Begleitung, Beratung und Betreuung gefunden. Ihren Schwerpunkt legte sie dabei von Anfang an dennoch auf Frauen. Sie wollte den Frauenbereich mehr in den Fokus bringen. Erinnern wir uns an die Zeit vor 20 Jahren – da war es einfach so, dass vorwiegend männliche Klienten von den Aidshilfen betreut wurden. Die Zeiten haben sich bekanntermaßen auch hier gewendet. Heute bilden Frauen einen festen Bestandteil der "Zielgruppe" von Aidshilfen. Und nicht zu vergessen: Heute ist es möglich, mit der Infektion ein gutes und langes Leben zu führen. Auch die Aidshilfearbeit machte und macht einen steten Entwicklungsprozess durch.
Lena hat sich in ihrer schier unerschöpflichen Energie jedoch nicht nur auf die (Organisation der) Begleitung und Beratung der Frauen konzentriert. Das ging auch gar nicht, denn bei einem Umfang von insgesamt zwei Vollzeitstellen, verteilt auf drei Mitarbeitende, ist letztlich jede*r an allem beteiligt. Nein, Lena ist einfach auch eine leidenschaftliche Netzwerkerin. Das konnte sie mit der Landesarbeitsgemeinschaft Frauen und HIV/Aids (LAG) in NRW, den vielen XXelle Standorten und ihrer regionalen Vernetzung in Paderborn wunderbar ausleben. Die Arbeit in den diversen Gremien war und ist für Lena immer schon faszinierend und belebend. Durch die Zusammenarbeit von XXelle Standorten, die gemeinsame Finanzierung und Womenpower, wurden einige Angebote - wie beispielsweise Bewegungsangebote - für Frauen mit HIV überhaupt erst möglich gemacht. Im Laufe der Jahre hat Lena dadurch mit XXelle Paderborn im Verbund mit zahlreichen weiteren Standorten erfolgreich verschiedene Projekte und Workshops anbieten können.
Durch die XXelle-Vernetzung ist ein großer Wissens- und Erfahrungspool entstanden, aus dem jede schöpfen kann. Die gesamte Zusammenarbeit zwischen den Aidshilfen hat Lena durchaus als einzigartig erlebt, kooperativ, unterstützend und in jeder Hinsicht bereichernd.
Apropos bereichernd: Um es vorweg zu nehmen: Das gilt für beide Seiten – für Lena wie für XXelle! In ihren 20 Jahren in der Aidshilfe konnte Lena an vielen Fortbildungen, Kongressen und Fachtagungen teilnehmen. Sie konnte sich politisch im Kleinen wie im Großen engagieren, war für drei Jahre im Vorstand der Aidshilfe NRW aktiv und vertritt die LAG seit einigen Jahren in der Landeskommission Aids, einem Gremium, welches die Landesregierung Nordrhein-Westfalen in grundsätzlichen Fragen der Weiterentwicklung von Maßnahmen zur Eindämmung von AIDS berät. Neben ihrer täglichen Arbeit hat Lena auf diese Weise Frauenthemen in diesen Gremien mit etabliert.
Nun zu Christine aus Essen. Seit mehr als zwölf Jahren ist sie schon in der Aidshilfe Essen für die Frauenarbeit zuständig. Ursprünglich kommt sie aus dem Bereich der Schwangerschaftsberatung im Kontext Klinik und Ambulanz. In diesem Rahmen war sie auch an der Gründung des Projektes „Begleitung von HIV-positiven schwangeren Frauen“ maßgeblich beteiligt und kam so in Kontakt mit der Aidshilfe. Was sie bereits früh faszinierte, war die Bandbreite und die Dauer des Engagements für die Klient*innen dort. Die Vielfalt. In der Ambulanz war der Zeitraum auf bis zu maximal einem Jahr nach der Entbindung begrenzt. Christine war jedoch an einer Kontinuität und Dauerhaftigkeit der Begleitung interessiert. Das Leben geht ja auch nach der Geburt eines Kindes weiter und Frauen begegnen neuen Hindernissen und Herausforderungen. So wurde Christine eine von anfänglich sieben Mitarbeitenden im Team der Aidshilfe Essen. Hier gibt es allein durch die Größe der Einrichtung klare Strukturen mit klaren Zuständigkeiten. Das ist auch gut so für Christine. Sie fühlt sich nach wie vor den schwangeren Frauen sehr verbunden und möchte hier den Großteil ihrer Arbeitskraft investieren, weiter Frauen begleiten und beraten, ihnen ganz konkret zur Seite stehen.
Die Arbeit in einer Aidshilfe bietet Christine viele unterschiedliche Möglichkeiten, sich für Frauen einzusetzen. Das macht es so spannend für sie! So wird sie in einzelnen Projekten aktiv, arbeitet auch mal eine Weile im Betreuten Wohnen, engagiert sich als Sprecherin für die Landesarbeitsgemeinschaft, organisiert und vermittelt, bringt Menschen zusammen und sorgt dafür, dass Frauen gestärkt werden und sich gegenseitig stärken, dass sie die Erfahrung machen dürfen, mit ihren Sorgen und Nöten nicht allein zu sein. Dass sie immer jemanden haben, an den sie sich wenden können.
Die zunehmende Veränderung der Arbeit und die Flexibilität der Aidshilfe im Umgang damit lässt Christine zuversichtlich in die Zukunft der Selbsthilfe blicken. Das System – so sagt sie – stellt sich breiter auf. So werden heute Regenbogenfamilien begleitet, es geht um ein gelingendes Leben von älter werdenden Menschen mit HIV, es geht um die Gestaltung und Begleitung von Hausgemeinschaften, etc. Dies alles unter dem Dach der Aidshilfe zu wissen stärkt den Gedanken an die Vielfalt der Arbeit.
Christine erinnert sich aber auch gerne an die Zeiten zurück, in welchen sie im Rahmen ihres Berufes sterbende Menschen begleiten durfte. Sie hat diese Stunden stets als sehr berührend und wertvoll empfunden. Wenn sie darauf zurückblickt, so sagt sie heute, dass sie sie nicht missen möchte, denn diese Erfahrungen hatten und haben auch jetzt noch eine ganz eigene, eine besondere Qualität und Intensität für sie.
Woran Christine sich auch gerne erinnert sind die XXelle-Fachtagungen "XXelleLIVE" in Köln, Dortmund und Düsseldorf, die von der Landesarbeitsgemeinschaft Frauen und HIV/Aids in NRW gestaltet wurden. Die Workshops und Vorträge, die Begegnungen und nicht zuletzt die Projekte, die hier angestoßen werden konnten.
Christine ist stolz auf all das. Es hat sie nicht nur beruflich, sondern immer wieder auch persönlich sehr bereichert.
Die Arbeit für und mit der Zielgruppe Frauen muss in Aidshilfen erhalten bleiben, ob landesweit, regional oder direkt vor Ort. Sie darf nicht untergehen, auch nicht im Wandel, den die Aidshilfen in den Folgejahren noch vor sich haben. Dem Wandel der Generationen wie dem Wandel allgemein, in der Gesellschaft, in der Medizin, in neu hinzukommenden Infektionen, etc. Es braucht die Präsenz von Frauen, die vor Ort für und mit den Frauen arbeiten, auch im politischen Bereich. Daher muss dafür gesorgt sein, dass Räume geschaffen werden für weibliches politisches Engagement. Das sollte in die berufliche Arbeit integriert sein und nicht nur als Ehrenamt möglich sein. Das wünschen sich die beiden von Herzen!
Lena und Christine, zwei Frauen, die einen Großteil ihres Lebens mit der Aidshilfe verbunden waren. Zwei Frauen, die Frauenarbeit als Standbein in ihren Aidshilfen und darüber hinaus entscheidend mit-gestaltet und etabliert haben und jetzt aus dem aktiven "Dienst" scheiden. Sie werden auf die ein oder andere Weise ihren Aidshilfen erhalten bleiben. Denn: "Das hört nicht mit dem Alter auf, nur weil man in Rente geht!"
Also: auf bald!
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